Europäische Initiative für Longevity – All-Round Gesundheit als einziges Thema
(Dies ist eine Übersetzung des Artikels unter https://www.longevity.technology/european-longevity-initiative-single-issue-healthy-longevity/; Übersetzung aus dem Englischen: Andrea Beyerlein, Natalie Sevcenko)
Attila Csordas schließt sich uns in einem Gastbeitrag über die Europäische Longevity-Initiative an, in dem er sich dafür ausspricht, dass die Zeit jetzt reif ist, um eine Interessengruppe für Longevity (deutsch: längere gesunde Lebensspanne) auf EU-Ebene zu gründen.
Attila Csordas ist ein Longevity-Biologe und Philosoph mit weitreichenden Ideen über biologisches Altern. Er ist der Gründer und Direktor des britischen Start-ups Age Curve, das sich auf das Diagnostizieren des Alterns konzentriert. Darüber hinaus behauptet das Unternehmen, das erste Start-up zu sein, das die persönliche Proteomik einsetzt, um den Anwendern ihr persönliches und umfassendes Alterungsprofil zur Verfügung zu stellen. Außerdem plant Attila etwas Weitreichendes: die Europäische Initiative für Longevity.
Derzeit arbeitet Attila an einem Buch namens „Open Lifespan“ („Offene Lebensspanne“), in dem er seine philosophische These fortsetzt und über politische und philosophische Aspekte der Longevity diskutiert. Longevity.Technology schätzt sich glücklich, dass Attila die Konferenz „Defining biological aging“ am Anfang dieses Jahres kuriert hat. Heute begleitet er uns in einem Gastbeitrag zu einem hochaktuellen Thema – der Europäischen Initiative für Longevity.
Der Wunsch nach einem langen und gesunden Leben überschreitet jene wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, geografischen, ethnischen, religiösen und geschlechtsspezifischen Grenzen, die die Menschheit in vielfältige und oft gegensätzliche Fraktionen zerteilen. Die Hauptstärke dieser Idee besteht darin, dass sie das Potential hat, Vertreter aus buchstäblich allen Arten menschlicher Gemeinschaften zu vereinen. Die Wirksamkeit ihrer Befürworter hängt dabei von zwei entscheidenden Bedingungen ab: dem richtigen Zeitpunkt und einem ausreichenden Stand der Technologieentwicklung. In dieser Veröffentlichung wollen wird darüber argumentieren, dass der richtige Zeitpunkt bereits erreicht wurde, um eine fokussierte Interessenvertretung für Longevity auf der Ebene der Europäischen Union zu organisieren.
Warum besteht innerhalb der EU Bedarf an einer einheitlichen Politik zur Förderung der Longevity?
Lassen Sie uns drei Gründe und einige Fakten nennen.
Erstens. Auf der globalen Ebene besteht reichlich Bedarf, neue Fakten, Grundsätze und Argumente zu den Themen Alternsforschung und Longevity-Industrie in der Europäischen Union zu kommunizieren. Damit soll eine einzige wichtige Botschaft übermittelt werden: nur diese neuen Technologien werden eine langfristige Lösung für die Probleme bieten, die durch das Altern und Alterskrankheiten entstehen. Es muss klar werden: Nur durch eine Verlängerung der gesunden Lebensspanne kann die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung erheblich verbessert werden, und dies ist nur durch den Einsatz radikaler medizinischer Therapien möglich.
Fakt #1: Das letzte Jahrzehnt brachte einen kompletten Paradigmenwechsel, sowohl in Hinblick auf das Verständnis einzelner Schlüsselmerkmale biologischer Alterungsprozesse als auch auf die Gestaltung des gesamten Alterungsprozesses. Basierend auf den letzten wissenschaftlichen Erkenntnissen hat sich die Alternsforschung zum Mainstream entwickelt. Das Paradigma der translationalen Gerowissenschaft hat starke Befürworter gewonnen, die an Interventionen arbeiten, welche direkt auf die Grundursachen des biologischen Alterns abzielen. Damit soll die größte Todesursache – altersassoziierte Krankheiten – verhindert werden, was zur deutlichen Verlängerung der gesunden Lebensspanne führen wird.
„… es entsteht eine neue globale Longevity-Industrie, die zwar noch in den Kinderschuhen steckt, aber ein enormes Potenzial aufweist“
Fakt #2: Durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse und einen großen finanziellen Aufschwung, insbesondere durch IT, Technologieunternehmen und Investoren, entsteht derzeit eine neue globale Longevity-Industrie, die zwar noch in den Kinderschuhen steckt, aber ein enormes Potenzial aufweist.
Zweitens. Dennoch existiert derzeit keine Organisation auf der EU-Ebene, die sich spezifisch und effektiv für Longevity einsetzen würde. Es besteht ein offensichtlicher und großer Bedarf, die Öffentlichkeitsarbeit, Richtlinien und politische Ausrichtung in Bezug auf die Frage der Lebensverlängerung zu definieren.
Fakt #3: Zum ersten Mal wurde das Thema Longevity bei den Europawahlen 2019 politikübergreifend präsentiert. In verschiedenen Ländern haben mehrere politische Parteien, die sich auf die Prävention altersassoziierter Krankheiten mit Longevity-Technologien konzentrieren, an den Wahlen teilgenommen. An dieser Stelle möchte ich die deutsche Ein-Themen-Partei „Partei für Gesundheitsforschung“ und mich selbst erwähnen. Ich habe als unabhängiger Kandidat in der Region Ostengland kandidiert. Obwohl wir fast völlig unbekannt waren und über nahezu kein Budget verfügten, erhielten wir 0,2% der Stimmen, was bedeutet, dass einer von 500 Wählern unsere Mission und das Programm mit seiner Stimme unterstützte.
Drittens. Nicht zu unterschätzen ist auch die durch die Coronavirus-Pandemie ausgelöste Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Sie stellt derzeit das wichtigste praktische Argument für die Notwendigkeit dar, robuste Longevity-Technologien zum Schutz von Menschen aller Altersgruppen zu entwickeln. Dadurch wird die altersbedingte Empfindlichkeit gegenüber infektiösen und nicht übertragbaren Krankheiten gesenkt bzw. eliminiert und die Wichtigkeit der Longevity in den Mittelpunkt der menschlichen Gesellschaft und Politik gestellt.
Punkt #1: Das chronologische Alter, einschließlich beschleunigter biologischer Alterungsprozesse, ist der Hauptrisikofaktor für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Infektion.
Punkt #2: Die Entscheidung der EU-Regierungschefs in der vergangenen Woche über die Annahme des kompromisslosen Coronavirus-Konjunkturpakets in Höhe von 1,82 Billionen Euro zeigt, dass nur eine Krise dieses Ausmaßes einen historischen Schritt wie diesen auslösen und der EU einen neuen Krisenbewältigungsmechanismus an die Hand geben kann.
All dies kommt zum richtigen Zeitpunkt und eröffnet ungeahnte neue Möglichkeiten. Wer will sich diesen Herausforderungen stellen?
Was ist die Europäische Initiative für Longevity (EIL)?
Die EIL ist ein loser Zusammenschluss von EU-Bürgern und Einwohnern, die sich zu einer Interessenvertretung für Langlebigkeit zusammengeschlossen haben und sich auf EU-Gesetzgebung und -Öffentlichkeit konzentrieren. Derzeit gehören folgende EU-Länder zu den Assoziierten: Deutschland, Slowenien, Frankreich, Tschechische Republik, Belgien, Ungarn, Griechenland, Österreich, Polen.
Darüber hinaus vertreten die derzeitigen EIL-Mitglieder mindestens sechs bestehende europäische Interessenvertretungen für Longevity:
- Die bereits erwähnte deutsche Partei für Gesundheitsforschung
- LongevityForum.eu, finanziert von Longevity-Befürwortern in der Tschechischen Republik
- Longevity International mit Sitz in Großbritannien leitet die wegweisende All Party Parliamentary Group (APPG) für Longevity im Vereinigten Königreich
- Internationales Institut für Longevity mit Sitz in Polen und Liechtenstein
- Drustvo za vitalno podaljéevanje éivljenja Slovenije – Slowenische Gesellschaft für Longevity
- Heales Société pour l’Extension de la Vie – The Healthy Life Extension Society mit Sitz in Belgien.
Die Vertreter der Initiative kommen aus verschiedenen Berufsgruppen, darunter Biomediziner, Ingenieure, Sozialwissenschaftler, Unternehmer und Investoren, und zeigen eine klare und gut abgestimmte Ausrichtung.
Aktueller Schwerpunkt: Die Europäische Bürgerinitiative
Die Europäische Bürgerinitiative bietet eine einzigartige Möglichkeit zur Politikgestaltung und Gesetzgebung der EU beizutragen. Damit die Kommission über Maßnahmen entscheiden kann, muss ein konkreter Initiativvorschlag eine Million Unterschriften erhalten.
Diese Initiative lässt sich nun hervorragend mit der Longevity-Politik und den oben genannten Argumenten vereinbaren, und zwar aus folgenden drei Überlegungen:
- Der Geltungsbereich der Initiative ist allgemein gehalten, von oben nach unten gerichtet und kann dazu genutzt werden, das allgemeine politische Bewusstsein für die Longevity Forschung und gesunde Verlängerung der Lebensspanne zu schärfen. Da damit ein Beitrag zur EU-Gesetzgebung geleistet werden soll, bietet die Initiative die Gelegenheit, Longevity zu einem Teil der legislativen DNA der EU zu machen. Die Idee, dass das biologische Alter durch medizinische Therapien verändert werden kann, ist immer noch neu und sollte ihren Weg in die oberste Rechtsstruktur der EU finden, wenn auch zunächst in Form unverbindlicher Gesetzesvorlagen.
- Organisatoren aus mindestens sieben verschiedenen EU-Ländern müssen bei einer solchen Initiative mitwirken. Sie stellt ein großartiges strategisches Instrument dar, um unsere Mission voranzubringen. Sie kann zur Aus- und Weiterbildung der nächsten Generation von Longevity-Befürwortern beitragen, die das Thema nicht mehr als Nischen- oder Randthema betrachten werden. Außerdem stellt eine Initiative einen logischer nächster Schritt dar, der auf den Nominierungen der Abgeordneten im vergangenen Jahr aufbaut und eine europaweite Longevity-Bewegung ermöglicht. Eine solche Initiative, unabhängig davon, ob sie erfolgreich ist oder nicht, bietet weitere taktische Vorteile, weil sie EU-weit agiert.
- Es müssen 1 Million Unterschriften gesammelt werden. Die Pandemie hat das Gesundheitsbewusstsein der Öffentlichkeit geschärft. Diese beispiellose Situation gibt mir die Hoffnung, dass ein vernünftiger, aber auch verdichteter und streng durchgeführter Gesetzesvorschlag zur gesunden Lebensverlängerung tatsächlich 1 Million Unterschriften erreichen kann. Damit würde das bisher größte Ergebnis der Longevity-Bewegung in der internationalen Politik erzielt werden.
„… stellt ein großartiges strategisches Instrument dar… zur Aus- und Weiterbildung der nächsten Generation von Longevity-Befürwortern … , die das Thema nicht mehr als Nischen- oder Randthema betrachten werden.“
Zukunftspläne
Neben der Initiative für Longevity gibt es verschiedene andere Mittel, die für Lebensverlängerung auf EU-Ebene eingesetzt werden können, darunter spezifische, detaillierte und lokalisierte Petitionen. Diese sollten sich auf bestehende EU-Aktivitäten beziehen und werden dem EU-Parlament vorgelegt, vgl. Initiativen an die EU-Kommission. Dazu müssen Themen angegangen werden, die uneingeschränkt und vor allem mit vollem Engagement akzeptiert werden können.
Eine vielversprechende Strategie wäre die Berücksichtigung der Europäischen Arzneimittel-Agentur, der EMA. Die EMA gilt als traditionell, da sie in ihren Entscheidungen an die US-amerikanische FDA gebunden ist, gleichzeitig bestehen jedoch gewisse Unterschiede in ihrer Arbeit. Während es sich bei der FDA um eine Bundesbehörde handelt, fungiert die EMA als dezentralisierte wissenschaftliche Agentur und nicht als Regulierungsbehörde. Meiner Meinung nach sollte die EMA die bevorstehende medizinische Verlängerung der gesunden Lebensspanne noch viel stärker unterstützen.
Abschließend komme ich zurück zu Punkt 2. Durch das EIL erhalten wir die Chance, die ersten wirklich professionellen Longevity-Politiker im Kontext der Europäischen Union auszubilden und zu trainieren. Gegenwärtig arbeiten wir hauptsächlich unter der Onlineplattform Slack. Wenn Sie daran interessiert sind, sich uns anzuschließen und den Wandel im Bereich Longevity mit herbeizuführen, senden Sie bitte eine E-Mail an longevitypolitics@gmail.com
Jetzt ist es soweit. Die Zeit ist reif.
Verbinden Sie sich mit Attila auf Twitter unter @attilacsordas